Jede Reise hat zwei Höhepunkte:

den einen, wenn man hinausfährt, erlebnishungrig und voller Erwartung -

und den anderen, wenn man heimkehrt, gesättigt von den Eindrücken und in Vorfreude auf das eigene Zuhause.

(Heinrich Spoerl)

24. Dezember 2012

Durch den Dschungel und ueber das Meer


Wo waren wir stehen gelieben…ah, genau…wir sassen in Port Blair fest. Keine Tickets, kein Stempel und kein Fahrplan. Wir hatten aber keine Lust mehr zu warten, was wohl mehr am Regen lag, als an Port Blair selbst.In Indien kann man an jeder Ecke etwas entdecken. Hier wird nichts weggepackt, ausser vielleicht nackte Haut. Oftmals sind es Kleinigkeiten die aufmerksam machen, aber manchmal sind es auch Momente in denen einfach Alltag passiert. 
Waehrend man am Kopieshop darauf wartet, dass man bedient wird (der Laden ist seit 30Minuten geoeffnet und man ist der einzige Kunde) wird erst nochmal fertig durchgefegt um dann die Raeucherstaebchen rauszuholen um den Kopierer, die Kasse, den Schreibtisch und das Haus zu segnen. Also wartet man draussen, und sieht wie ein Beerdigungszug vorbeikommt, in den Kreisverkehr hineinlaeuft, das Brett absetzt, eine Kokusnuss zerschmettert und weiterzieht. 

Man braucht wirklich nur vor die Tuer zu gehen und sieht Dinge, die das Auge nicht gewohnt ist. Aber bei Regen bleibt man manchmal lieber drin und deshalb packen wir unseren Rucksack, beschliessen den Norden der Andamanen zu erkunden und kaufen uns ein Ticket fuer Diglipur.
Gesagt, getan und Bus gebucht…am naechsten Morgen um 4.15Uhr ging die Hoellenfahrt los. 

Ja, wir wussten, dass es sich um eine zwoelfstuendige Fahrt handelt, und wir haetten vielleicht auch vermuten koennen, dass es sich nicht um die beste Strasse handelt, aber was uns definitive erst nach einigen Stunden bewusst wurde, war die Tatsache, dass man wohl niemals auf den hintersten Plaetzen sitzen sollte. 
Unser Kamikatzefahrer jagd den Bus ueber Schlagloecher der einspurigen Fahrbahn entlang und weicht Gegenverkehr nur im letzten Augenblick aus...anders waere es ja auch doof bei einer einspurigen Strasse. Man hat also das Gefuehl gleichzeitig Achterbahn zu fahren und Rodeo zu reiten. Und das tun auch die Gefuehle. Einerseits freut man sich, dass man den Touri-Hotspot verlassen hat und wenn indische Omis sich aus dem Bus beugen um den Inhalt ihres Magens zu leeren, weiss man das man auf Reisen ist. 
Andererseits tut es auch manchmal echt weh und man fragt sich, warum man sich selbst so geiselt, wo man fuer 150Euro einen Rundflug ueber diese wunderschoenen Insel haette haben koennen, und auch noch direkt am Zielort angelangt. Aber es ist wohl einfach spannender durch Laender zu reisen, als darueber hinwegzufliegen. Wir sehen Mitglieder des Jarawas-Stam, die noch ohne Kleider und mit selbstgemachtem Schmuck und Koerben am Strassenrand stehen. 
Wir sehen Elefanten die mit ihrem Mahut (Elefantenfuehrer) aus dem Dschungel kommen. Wir sehen die unterschiedlichsten Gruentoene und Blaetter.. Und dann ist es geschafft. 

Nach 13 Stunden sind wir in Kalipur (27km von Diglipur entfernt) angekommen. Ein wunderschoenes Guesthouse mit eigener Insel vor dem Strand und einem superfreundlichen Besitzer. Der Koch kommt jeden Abend um mit uns das Abendessen zu besprechen und wir wohnen in einem zweistoeckigen Bambushaus mit Balkon. Und hier gibt es einiges zu tun. 
Man kann zum Beispiel zur anderen Insel schwimmen um dort zu schnorcheln, und solange man das Schild, dass vor den Krokodilen warnt, noch nicht gesehen hat, fuehlt man sich dabei wie im Paradies. Ebeneso kann man ab Anfang Dezember den Schildkroeten beim Eier legen zuschauen. Leider ist das nicht ganz so einfach wie es sich anhoert. 
Wie so oft in Indien bekommt man auf die selbe Frage verschiedenen Auskuenfte und so dauert es 4 Naechte bis wir selbst herausfinden dass man kurz nach dem hoechten Pegel der Flut, bei Vollmond, die groessten Chancen hat. Das heist also, dass man warten muss, und wenn man Glueck hat, laeuft ein Angestellter des ForestOffice mit einem am Strand entlang, und erzaehlt sein ganzes Wissen ueber Schildkroeten. 
So erfahren wir, dass man mit der Taschenlampe auf keinen Fall aufs Wasser leuchten darf. Auf die Frage, wie sie denn dann die Schildkroeten sehen koennen, erhalten wir die Antwort, dass es dafuer Medizin gaebe. Man muss nur ein Gluehwuermchen in eine Banane stecken und dies gaenzlich essen. Das hilft!!! Wirklich Madame! Was soll man dazu noch sagen. 
Wir hatten Glueck mit unserem Gespraechspartner… bei den Schildkroeten leider nicht. Zumindest nachts nicht, dafuer aber beim Schnorcheln um Ross and Smith Island.

So bekamen wir einiges zu sehen, aber leider immer noch keine Elefanten aus der Naehe. Durch Alex unseren Hotelbesitzer erfuhren wir, dass etwa 35km  entfernt Arbeitselefanten gibt. Wir sollten uns einfach nur ein Motorrad ausleihen und da hinfahren. Das einzige Motorrad, dass man in diesem Ort ausleihen kann war aber leider kaput und so fuhren wir mit dem Bus nach Diglipur, um dort im Forstbuero nach den Elefanten zu fragen. 
Mittlerweile waren wir wohl lange genug in Indien um zu wissen, dass man keine Information erwarten kann, sondern alle Informationen erfragen muss. Die Information die wir nach 15min Frage-Antwort-Spiel bekamen war folgenden: Die Elefanten arbeiten bis um 14Uhr und solange kann man sie sehen, danach werden sie frei gelassen! Ausserdem bekamen wir noch eine Telefonnummer des dortigen Forstbuero. Jochen rief sofort an um noch mehr Informationen einzuholen, und nachdem sich 5 Personen vergewissert hatten, dass sie kein English sprechen, wurden wir endlich mit dem Chef verbunden. Informationen gab es trotzdem keine mehr. 

Egal, wir fahren einfach mal hin. Nach kurzer Preisverhandlung mit Krishna unserem Rikschafahrer, und 1,5Stunden spaeter stehen wir an einem wunderschoenen Strand. Dort kann man laut unserem Rikschafahrer Schildkroeten sehen (ja, nachts!). Das ist ja super, und wo bitte sind die Elefanten? Wie Elefanten, wolltet ihr keine Schildkroeten sehen?.......Erneut beginnt die Suche nach dem Forest Office. Dort erfahren wir, dass man ein Boot benoetigt um die Elefanten zu sehen. Am naechsten Morgen um 5.30Uhr sollen wir einfach  wieder da sein, da dann die Forstarbeiter zu ihrem Arbeitstag aufbrechen und uns mitnehmen koennen. 
Einige Telefonate spaeter formulieren wir einen Brief, dass wir dies auf eigene Gefahr tun und sitzen um 4Uhr am naechsten Morgen in der Rikscha. Vorfreude versucht sich breit zu machen, andererseits wollen wir es erst glauben wenn wir SIE sehen. Punkt 5.30Uhr sind wir am Hafen, und rund zwei Stunden spaeter sitzen wir auf unserem privaten Boot. Was war passiert? Zuerst musste der Foerster nochmal kommen und uns sagen, dass wir keine Fotos machen duerfen und nur an einem Punkt die Elefanten anschauen koennen. Dann musste ein Hund noch Julia ans Bein pinkeln. Dann mussten sich die Polizei und das Forstbuero noch ein paar Gesetze ueberlegen. Also fuhren wir schnell nochmal zur Polizei um dort einen Keks zu essen und unsere Adresse auf ein formloses Blatt zu schreiben. Dann fuhren wir zum Hafen, um dort auf einen Motorradsitz unsere Visa und Reisepassnummer auf ein anderes formloses Blatt zu schreiben. Unser Rikschafahrer und der Bootsfuehrer muessen auch ihre Adressen angeben. Und dann wartet man, hoert schon das Wort XEROX (Kopie), bekommt leichte Panikanfaelle, und ist unendlich erleichtert dass nur ein bisschen Paan (Nuss mit Gewuerzen) gekaut werden muss. 
 Es geht los. Wir fahren 1 Stunde durch den mit Mangroven gesaeumten Fluss, sehen Krokodile und sind dabei sehr froh, dass wir nicht nur einen Steuermann, sondern auch einen Bootleerschoepfer haben. Dann wandern wir noch 30Minuten ueber einen glitschigen Dschungelpfad mit Blutegel und endlich sind wir am Ziel. Wir sehen sechs verschiedene Elefanten, duerfen sie mit Bananen fuettern und sehen wie sie mit unglaublicher Leichtigkeit Baumstaemme aus dem Dschungel ziehen und aufschichten. 
Unsere indischen Begleiter haben unglaublichen Respekt vor den Elefanten und koennen nicht verstehen, dass wir sie fuettern wollen. Und als einer der Elefanten von seinem Sattel befreit wird und kurz ohne seinem Fuehrer neben uns steht, wird einem auch bewusst warum. Aber schon ist die Situation vorbei und der Elefant darf allein in den Dschungel gehen (Wirklich wahr!). 
Dazu sucht er sich keinen Weg sondern bahnt sich einen, mitten durchs Gestrueb und schon 2m spaeter sieht man nichts mehr vom Elefant. Zufrieden machen wir uns auf den Rueckweg, muessen nochmal am Forstbuero vorbei, da unser Rikschafahrer etwas unterschreiben muss, dann nochmal zur Polizei, wo wir 15Minuten auf Stuehlen sitzen duerfen, um dann ohne jede Handlung doch gehen zu duerfen. Unglaubliches Indien. 

Das war schon ein relativ grosser Aufwand. Manchmal geht man einfach nur Wasser und ein paar Kekse einkaufen und ein Kind ruft einem zu: "SCHLANGE!" So hatte Jochen das Glueck einen Schlangenbeschworer bei der Kindervorfuehrung zuzusehen. Es ist so unglaublich anders, und manchmal merken wir, wie unglaublich anders wir denken und ticken. 
Jochen wurde schon zweimal als Japaner eingeschaetzt, und die Kundenbetreuerin unserer Telefongesellschaft sagt ihrer Mutter bescheid um das Problem mit unserer Simkarte zu loesen (HAEHHHH!) Und was wirklich unglaublich ist: Wir konnten unser Ticket fuer die Faehre nach Chennai in Diglipur kaufen. Alex, vom Hotel, bekommt zwar danach einen Anruf, dass dies fuer Touristen nie wieder moeglich ist--aber wir haben sie, unsere Tickets nach Chennai.

Und so machen wir uns auf den Weg nach Port Blair, machen noch auf  Long Islang und Neil Island ein paar Tage halt, und erkunden mit dem Fahrrad die Insel und ihre schoenen Straende. Noch ein bisschen Paradies, bevor wir unsere 3taegige Fahrt auf der M.V. Nikobar antreten. 
Wir reisen 1.Klasse (es gibt Deluxe,1,2,2a und Bunk-Klasse), d.h. dass wir in einer 4er Kabinen untergebracht sind. Durch einen Fehler bei der Buchung sind wir in unterschiedlichen Raeumen, was wir jedoch regeln koennen, und so bekommen wir am Ende ein Zimmer fuer uns, mit einer eigenen Toilette...aber ganz ehrlich, sauber war die die letzten 5Jahre wohl auch nicht mehr. Im Vergleich zu den Toiletten in der Bunk aber ein reines Vergnuegen. Zum Fruehstueck gibt es Reis, zum Mittag essen gibt es Reis und Abends gibt es Reis zu essen. 
Zwischendurch wollen wir uns auf dem Sonnendeck in unsere Haengematte legen, um den Schaukeln der Faehre etwas zu entkommen. Diese sind nur jedesmal mit Indern besetzt, die man hoefflich aber bestimmt darauf hinweisen muss, die Haengematte zu verlassen. Dies tun sie dann auch uns lassen sich auf dem Rand des Swimmingpools nieder, das aber nur mit Muell statt mit Wasser gefuellt ist, da die meisten Inder eh nicht schwimmen koennen und ehr noch die Waesche darin waschen wuerden. 
 Wir fuehlen  uns gut, vorallem nachdem Jochen ein Handy bei der Abfahrt gereicht wurde, an dem eine Nonne ihm versprach uns in ihre Gebete miteinzuschliessen. ....Und so schaukeln wir 3Naechte und 2Tage uebers Meer und kommen schliesslich in Chennai an. 

In der drittgroessten Stadt Indiens gibt es viel zu entdecken, aber nichts ist wirklich anders. Zwar wird im Kino (der Hobbit in 3D fuer umgerechnet 2Euro) geklatscht und gejubelt und Ochsenkarren fahren neben Autos auf der Strasse, aber trotzdem fehlt etwas. Und dass ist das Gefuehl wirklich nahe an die Menschen zu kommen. 
Die Inder sind zwar ohne jede Scheu, aber mehr als nur Smalltalk ist dann eben doch nicht drin. Mittlerweile haben wir schon in Mahabalipuram die Tempel angeschaut und sind mittlerweile in Pondicherry, einer ehemaligen franzoesischen Kononialstadt, wo wir Weihnachten feiern (wir waren gestern in einer zweistuendigen dreisprachigen Christmette) und vorallem Plaene schmieden um mehr zu erleben. 
Das Gesetz ein Fahrzeug zu kaufen, wurde hier vor einem Monat so verschaerft, dass es nahezu unmoeglich ist. Deshalb ist der Plan fuer die naechste Station in die Auslaeufer der Westghats zu fahren und dort wander zu gehen. Aber wir werden sehen, den Planen ist in Indien irgendwie verplant.

Im Moment hoffen wir vorallem, dass ihr eine schoene Weihnachtszeit und einen guten Rutsch ins neue Jahr habt. Wir haben uns gestern ein sehr leckeres Abendessen gegoennt, bei dem wir das erstemal seit 4 Wochen mal wieder mit Besteck gegessen haben. Jetzt muessen wir den Eintrag beenden. Die Besitzerin des Internetcafes moechte Weihnachten feiern. 

Weihnachtliche Gruesse
Julia und Jochen

...
                                          Schlangenbeschwoerer in Kalipur

                                          Eine bengalische Braut.


                                          Von Port Blair nach Diglipur

                                  
                                          Mit dem Fahrrad ueber die Insel Niel.

                                          Unterhaltung mit der Schiffscrew

                                          Endlich angekommen am Hafen von Chennai.

                                          Eindruecke von Chennai

                                          Eindruecke von Chennai

                                         Einnehmender Gemueseverkaeufer

                                          Mahabalipuram/Shore Tempel


                                          Eindruecke auf der Strasse am 24.Dezember

                                          Ein segnender Elefant in Pondi